Heimat – Was ist das? Seit ich vor 11 Jahren von Taiwan nach Deutschland gezogen bin, hat sich diese Frage als essentiell für mein künstlerisches Arbeiten herausgestellt. Wer sich entscheidet, im Ausland zu leben, stellt sich zwangsläufig nicht nur einem fremden Ort und einer neuen Kultur, sondern auch einem bis dato unbekannten ICH. Die eigene Identität wird undeutlich und verschwommen; Differenzen zum Neuen jedoch umso klarer. Diese Form des „Nichtähnlichen“ versuche ich nun seit Jahren zu untersuchen, nicht um gegen dieses Gefühl anzukämpfen, sondern um es besser zu verstehen. Teil dieser Erfahrung sind gleichzeitig Gefühle der Heimatlosigkeit und des Heimwehs. Egal, ob ich mich in Taiwan oder in Deutschland befinde, eine wahre Heimat kann ich in beiden Orten nicht finden. Ich empfinde mich dabei selbst als Teil eines Symptoms unserer globalisierten Welt: Heimatlosigkeit.

Trotz meiner inneren Suche nach Orientierung, verwende ich in der Kunst hauptsächlich Materialien meiner Herkunft, wie beispielsweise Tinte aus Taiwan und chinesisches Papier. Sie sind für mich eine Art „Urelemente“, die symbolisch für Heimat bzw. meine Vergangenheit stehen. Die Arbeit Woher Wohin in der Berlin Weekly Galerie zeigt ein langes Band Papier, das in ein Becken, welches gefüllt ist mit schwarzer Tinte, hineinreicht und die Farbe nach oben zieht. Diese visuelle Umkehrung der Fließrichtung von Wasser steht symbolisch für eine Um- oder Desorientierung. Doch trotz der Umkehrung bleibt das Element Wasser in Form der Tinte als solches erhalten, egal wohin es sich bewegt – ähnlich wie ich es tue an einem neuen Ort. Ying-Chih bleibt Ying-Chih, egal ob in Taiwan oder Deutschland.


Die Arbeit VERWURZELT IM NEBELWALD für den Gottfried Brockmann Preis 2017 knüpft an diese Symbolik an. Glasbehälter, die in unterschiedlichen Verhältnissen mit Wasser und Tinte gefüllt sind zeigen ähnlich einem Tagebuch wie viel Kontakt ich zu anderen asiatischen (Anteil Tinte) oder zu deutschen (Anteil Wasser) Freunden und Bekannten hatte. Wasser wird hier durch seine Umgebung (die Glasbehälter) geformt sowie farblich verändert (Tinte), bleibt jedoch in seinem Element Wasser.

Inspiriert wurde die Idee von Hokusais Welle, an welche ich mich bei den vorangegangenen Quellen (für Berlin und die Kieler Stadtgalerie) und die dort sichtbare Wasserbewegung erinnert gefühlt habe. Sie verbildlicht auf besondere Weise die Situation, in der ich mich befinde: Aufgewühltheit und Orientierungslosigkeit.